31.07.2013

Resume nach fast 2 Jahren

Die Kurzform ist:

Uns geht es rundum gut und wir haben bis jetzt keine Minute bereut, diesen doch nicht so kleinen Schritt in ein anderes Leben gemacht zu haben. Wir haben bis heute so viel Neues entdeckt und möchten keinen Tag missen. Erfahrungen, die uns keiner mehr nehmen kann und die für uns eine absolute Lebensbereicherung darstellen. Letztlich ist das Leben endlich…
Wir haben in den letzten Monaten so viel Besuch aus Deutschland hier gehabt und es war wirklich schön unsere Familien und Freunde wiederzusehen. Manche sogar schon zum wiederholten Mal. Bei der Gelegenheit, da gibt es noch liebe Freunde und ne kleine Schwester, die wir gern mal hier haben möchten. :-)

Beginn der längeren Form:

Erst einmal bedauere ich sehr, dass gerade meine Frau, nun auch seit längerer Zeit auf den Facebook Zug aufgesprungen ist. Ich selbst bin eher der Antifan des Gesichtsbuches! Dies bedeutet, dass Bianca den Blog ziemlich aus den Augen verloren hat. Schließlich war es ihre Idee. Sei es drum.

Ich schreibe nun manche Dinge etwas ausführlicher, da wir wissen, dass auch Leute diesen Blog lesen, die vor der Endscheidung stehen, diesen Schritt ebenfalls zu planen. Wie haben zuletzt nicht vom Auswandern sondern vom Umzug gesprochen und…die Tür nach Deutschland ist doch nicht zu. Diese Gedanken können helfen, etwas aufzugeben um etwas Neues zu gewinnen.

Oft werden wir gefragt wie es uns hier gefällt und was wir so erleben.
Unsere Antworten sind meist dieselben.

Es ist ein großes Land und das wird einem so richtig bewusst, wenn man mal den Vergleich zu Deutschlands gegenüber stellt. So ist Deutschland in etwa so groß wie mancher US Bundesstaat und es gibt hier 50 davon! Das mal dazu.

Es ist fast alles anders als in Deutschland, sodass wir unsere Erfahrungen aus den mehr als 40 Jahren zum Teil komplett vergessen können. Es ist schwer zu sagen wo es beginnt und wo es aufhört. Es ist eine andere Kultur und damit verbunden eine andere Lebensweise. Sie ist weder besser noch schlechter als in Deutschland, eben nur so anders.

Die Amerikaner sind sehr stolz auf ihr Land und halten damit auch nicht hinterm Berg. Wann immer eine öffentliche Veranstaltung ist, sei es ein Fest, ein Konzert oder Sportveranstaltung, darf die Nationalhymne nicht fehlen und die Präsenz ehemaliger oder jetziger Soldaten ist fast Pflicht.  Es ist das Einwanderungsland Nummer eins und es wird hier eher positiv gesehen. Oftmals ist es allerdings so, dass sie meinen man würde sein Heimatland verlassen, weil es dort so schlecht ist und hier eben so toll. Da bin ich dann immer gefordert, etwas Nachhilfe zu erteilen und Deutschland ins rechte Licht zu rücken. Wir haben so viel aufgegeben um hier zu sein und das macht mal nicht eben jeder. Außerdem kostet es Geld. Das wiederum macht die Amerikaner noch stolzer. Was, ihr habt soviel auf euch genommen, hier zu leben? Wow! Es ist eben für uns eine Lebensbereicherung, die nicht jedem der es möchte zu Teil wird und wir sind glücklich darüber. Deutschland ist für uns nach wie vor eines der besten, wenn nicht das Beste Land der Welt! Und Hamburg die schönste Stadt, klar näh.. Wir sind stolz darauf, Deutsche zu sein. Hier darf man das ja laut sagen ohne bitteren Beigeschmack…

Die klassische amerikanische Familie besteht aus mindestens 2 Kindern und einem Hund.
Wir haben weder das Eine noch das Andere und sind deshalb: DINK’s
Dual Income No Kids

Sie wechseln häufig mal den Job, ziehen oft um und bauen meist nichts für die Ewigkeit. Kinder sind das Größte und wachsen deshalb extrem behütet auf. Sie genießen Ihre wenige Freizeit sehr und ausgiebig. Gemäß unserem Motto: „Life is good“ macht man hier viele Dinge einfach  mit gebremstem Schaum…

Autos und Autohändler gibt es hier wie Sand am mehr. Möchte man also ein neues Auto erwerben, geht man zum Händler und nimmt nach längeren Verhandlungen dass gute neue Auto gleich mit nach Hause. Es stehen sämtliche Ausstattungsvarianten zur sofortigen Mitnahme bereit. Möchte man das Auto nicht sofort bezahlen, gibt es attraktive Finanzierungsmodelle. 0.0% bei bis zu 84 Monaten Laufzeit sind keine Seltenheit! Auf einen satten Rabatt kann man dann natürlich nicht hoffen.
Ein Auto ist hier wichtig und notwendig. Ein kompletter Ölwechsel bei meinem Pick Up Truck z.B., (5,7L HEMI) kostet 25 Dollar. In Worten fünfundzwanzig.
Bianca fährt noch unseren Kia Sorento. Ich habe einen Dodge RAM gekauft,
was in Deutschland eher eine Seltenheit ist. Hier eher Standard und niemand dreht sich danach um. Den Neuwagenrabatt von 35% habe ich gern genommen und lies mich somit nicht lange zögern.

Freizeitgestaltung:

Wir haben die Leidenschaft für das Biertrinken entdeckt und frönen dieser manchmal sogar zu oft. Es gibt in den USA unzählige Micro Brauereien, die eine Vielzahl unterschiedlicher guter Biere brauen. Weit ab vom Miller oder Budweiser und dann als Bier ähnliche Variante sogar in Light. Und Light heißt hier nicht Alkoholfrei sondern eher „Kalorienarm“. Also so um die 4% Alk. haben die noch! Die Auswahl an Export Bieren ist nahezu allumfassend und lässt kaum Wünsche offen. Wir bevorzugen allerdings eher die amerikanischen Biere die nicht nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut werden und deshalb viel Raum für unterschiedliche Geschmacksrichtung lassen. Man ist experimentierfreudig und wer das mag ist hier im Bierparadies! IPA ist zum Beispiel das was wir mögen. Bedeutet Indian Pale Ale. Ist eher Bitter und hat so um die 6% Alk. Also Standard. Gibt es auch als Double mit ca. 8% Alk. -Na dann Prost!
Neben dem Biertrinken, besuchen wir gern mal ein Konzert, gehen ins Kino oder zu Stadtfesten. Düsen mit dem Moped durch die Gegend und genießen es, hier zu leben. Also das ist nun unser nicht mehr ganz so neuer Alltag, wenn wir nicht gerade dafür sorgen müssen Geld zu verdienen und unsere Zeit mit Arbeit zu verbringen.
Amerikaner gehen gern essen. Anders als in Deutschland ist Essengehen hier Standard. Also ein paar Mal die Woche ist nicht ungewöhnlich. Entsprechend sind die Restaurants zu den Essenzeiten meist komplett ausgebucht und da hier schnell essen angesagt ist, muss man halt etwas warten, bekommt aber dann zügig auch einen Platz. (Fast Food= schnell essen und nicht, Fast Food= schlecht essen)

Englisch ist nicht gleich englisch!

Aus unserer Schulzeit, die nun auch schon ein paar Jahrzehnte zurück liegt, haben wir so viel englisch mitgenommen, dass es gerade für unsere damaligen Urlaube gereicht hat und wir sind nicht verhungert und auch irgendwie wieder nach Deutschland zurück gekommen. Ein Smalltalk war auch meist noch drin, in unserem überschaubaren Repertoire. Ist man hier aber im Business (Arbeit) so sieht die Sache schon ganz anders aus. Was gestern noch zum bestellen eines Burgers bei MC gereicht hat, reicht heute nicht mehr aus. Amerikaner sind so verständnisvoll und freuen sich wenn man englisch spricht. Leider nehmen sie aber keine Rücksicht darauf, wenn es nicht so dolle ist. Sie sprechen mit uns als ob wir Native Speaker (Muttersprachler) sind. Es gilt als unhöflich Jemanden zu verbessern. Aber bitte, wie sollen wir vernünftig Englisch lernen, wenn uns keiner hilft und sie stattdessen sagen: Dein Englisch ist echt klasse und viel besser als mein deutsch. Na super, dass ist nicht wirklich schwer! Nun gut, im Kollegenkreis, erinnern wir immer daran, uns bitte zu verbessern. Manchmal klappt das auch. Oft merken wir nicht, dass wir natürlich täglich besser werden. Eine der deutschen Tugenden ist, alles perfekt machen zu wollen und das kann manchmal ganz schön frustrierend sein. Stammeln wir doch manchmal wie Ausländer eben oder nicken schön und haben aber nicht wirklich jedes Wort verstanden. Dies kann schnell zum Verhängnis werden weil entscheidende Worte die wir nicht verstanden haben, dem Gespräch oft eine ganz andere Aussage geben. Hey kommt, dass kennt  ihr auch oder? Ach, und dann gibt es natürlich auch noch teilweise gewaltige Unterschiede zwischen dem britischen und amerikanischen Englisch.

Kranken, und Sozialversicherung:

Wir sind Krankenversichert, weil wir „gute“ Arbeitgeber haben und dann verhält es sich wie in Deutschland auch. Einen Teil der Beiträge zahlt der Arbeitgeber, den anderen Teil zahlen wir selbst. Es gibt unterschiedliche Modelle, die über eine Grundversorgung hinaus gehen. Gemäß dem Motto, willst du mehr zahlst du mehr. Es gibt aber auch große Unternehmen, die ihre Mitarbeiter gar nicht oder erst nach einer gewissen Zeit der Firmenzugehörigkeit krankenversichern, gleiches gilt für die Sozialversicherung. Dann bleibt dem Mitarbeiter nur, sich selbst zu versichern und eben auch die vollen Kosten selbst zu tragen. Dies ist bekanntermaßen nicht günstig und das ist der Grund warum manche darauf verzichten. Es gibt zurzeit eben keine Kranken- und Sozialversicherungspflicht.

Kostenbeispiel:
Wir haben bereits Erfahrungen mit einem für uns sehr guten Zahnarzt gemacht. Bezahlt wird direkt nach der Behandlung und zwar nur der eigene Anteil. Die Differenz holt sich die Praxis direkt von der Krankenversicherung. Im System kann der Zahnarzt genau sehen, wie hoch das jährliche Budget der Versicherung für den jeweiligen Patienten aussieht. Die Zuschüsse sind je nach Behandlungsart prozentual unterschiedlich und machen in Summe für uns pro Person 2000 Dollar aus. Darüber hinaus müssten wir alles selbst bezahlen. Eine Krone kostet als Eigenanteil ca. 250 Dollar und das ziehen eines Weisheitszahns 15.

Zwischen Deutschland und Amerika gibt es ein Sozialversicherungsabkommen. Dies bedeutet für uns, dass unsere bereits eingezahlten Beiträge erhalten bleiben. Beiträge die hier von uns und den Arbeitgebern eingezahlt werden, zählen in Deutschland für die Zeit. So bekommen wir also unsere Jahre voll und erhalten später eine Rente aus Deutschland und eine aus den USA. Tipp an dieser Stelle: Sollte man hier keine Sozialversicherungsbeiträge bezahlen, aus welchem Grund auch immer, so ist es möglich, weiterhin die Beiträge in Deutschland zu leisten. Der Mindestsatz von etwa
80 Euro monatlich, reicht aus, um zumindest seine Jahre voll zu bekommen und die Option zu erwerben, ggf. schon vorzeitig in den Ruhestand zu gehen.

Kurzfristiges Ziel, doppelte Staatsbürgerschaft:
Nach mindestens 5 Jahren Greencard Besitz und davon mehr als 30 Monate Aufenthalt in den USA, könnten wir die amerikanische Staatsbürgerschaft beantragen. Seit mehreren Jahren gibt es auch die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft. Dazu müssen wir einen Antrag auf Beibehaltung der deutschen Staatsbürgerschaft in Deutschland stellen. Eine umfangreiche und ausführliche Erklärung unsererseits ist dann zwingend erforderlich. Da an die Greencard auch Rechte und Pflichten geknüpft sind, wäre eine US Staatsbürgerschaft in vielen Belangen eine echte Erleichterung und Vereinfachung. Z.B. Bei der Jobsuche etc.

Voraussetzungen um hier zu leben:

Ein Visum ist natürlich die Grundvoraussetzung um diesen Schritt überhaupt zu gehen.
Ach ja, in den meisten Bundesstaaten wird überwiegend englisch gesprochen! :-)
Etwas Startkapital, ist sehr wichtig da man hier als „Ausländer“ keine Kredithistorie hat.
Man hat ja noch keine Möglichkeit gehabt, seine Zuverlässigkeit im Bezug auf das zahlen von Rechnungen über einen längeren Zeitraum zu beweisen. Dazu zählt auch das Begleichen der Kreditkartenabrechnung etc. Gemeint ist also ganz klar die private und persönliche Zahlungsmoral in den USA! Dies wiederum kann bedeuten, dass Finanzierungen schwierig bis unmöglich sind und evtl. höher verzinst werden. Oftmals muss sogar eine Sicherheit hinterlegt werden. Z.B. beim Handyvertrag (500$) oder Stromanbieter (120$) Mietkaution (2000$) etc.

Persönlich muss man offen für Neues sein und sich auch unterordnen können. Jobs die nicht dem letzten Stand im vollem Umfang wie in Deutschland entsprechen, muss man schon ggf. annehmen. Ohne Moos ist auch hier bekanntlich nix los! Auch wenn evtl. der Verdienst nicht dem letzten Gehalt entspricht so lernt man doch so viele neue Dinge im Job die oftmals unbezahlbar sind.
Ständige Vergleiche mit Deutschland sind eher kontraproduktiv und führen eigentlich zu nichts. Man sollte nicht meinen die Amerikaner missionieren zu müssen oder zu können. Passt man sich hier den Gegebenheiten nicht an, bleibt man auf der Strecke. Tolle Errungenschaften aus Deutschland sind zwar nett aber weit weg. Man muss sich also hier in den USA bewähren um ein gutes Ein- und Auskommen zu haben. Ein persönliches Netzwerk ist hier sehr förderlich und steht oft sogar über den Arbeitsleistungen. Wir Deutsche sind sehr anerkannt und die AmerikanerINNEN lieben sogar unseren Akzent! Na, wenn das nichts ist…

Eine Geldeinnahmequelle sollte man schon finden, außer man ist bereits reich.
Es wird einem hier nichts geschenkt. Hat man einen Job gefunden ist das nett aber muss auch nicht zwangsläufig von Dauer sein. Kündigungsschutz existiert de facto nicht. Kann aber auch positiv sein. Man lernt neue Firmen und Kollegen öfter kennen…hoffentlich nicht öfter als man verkraften kann.
Es werden schnell mal Positionen frei und niemand hockt im Zweifelsfall als „Nullnummer“ auf ein und demselben Posten für Jahre…

Fazit:

Unter dem Strich lässt es sich zum jetzigen Zeitpunkt hier sehr gut Leben und wir arbeiten eher weiter an unserer amerikanischen Zukunft als daran, zurück nach Deutschland zu gehen. Sollten sich die Umstände allerdings dramatisch verändern, sind wir bereits so amerikanisiert und ziehen einfach zurück…

Es gibt noch so viel mehr zu schreiben, aber ich will euch nicht überfordern.
Dies sollte auch nur eine kurze Zusammenfassung sein und alle Diejenigen unter euch beruhigen, die vielleicht meinten: Hey, da kommt nichts neues im Blog…da stimmt was nicht.

Viele Grüße von den, -na ihr wisst schon, den

DINKs

und danke für eure Zeit...:-)



PS Ein paar Bilder reichen wir "gleich" noch nach!

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Vielen Dank Olli, Du hast mir aus der Seele gesprochen. Auch wenn ich vom verstaendnisvollen nicken leichte Nackenschmerzen habe, war es doch schoen zu lesen, dass viele Eurer Erfahrungen mit unseren identisch sind.
Allerdings koenntet Ihr uns auch mal besuchen kommen(hier gibt es auch Wirtshausbrauereien zu entdecken)
Gruesse aus Ellicott City, Maryland

Katrin Schmidt hat gesagt…

Liebe Grüße vom Wochenmarkt aus HH-Langenhorn!
Ich bin sehr froh doch noch einmal was von Euch im Blog zu lesen und dann auch noch sooo positiv!
Als nach Neujahr nichts mehr nachkam machte man sich ja doch so seine Gedanken...
Auf die Idee bei Facebook reinzuschauen, bin ich natürlich nicht gekommen, muß mich aber an dieser Stelle auch gleich als Facebook-Muffel outen :-)
Weiterhin alles Gute, in der Hoffnung, daß man sich irgendwann und -wo einmal wieder sieht!

Wolle hat gesagt…

Na endlich hören wir mal wieder was auf diesem Wege von eurem neuen Leben. Und dann noch mit vielen detailierten Informationen zu Fragen, die wir mit Sicherheit auch gestellt hätten. Sehr interessant und aufschlussreich.

Als Facebook- Hasser freuen wir uns um so mehr über diesen Blog.

Toll, dass es euch gut geht. Wir schauen sicher wieder hier rein und freuen uns über weitere lebensechte Ansichten zu den USA von Euch.

Liebe Grüße die Flensis

Tanja, Herbert + Kinna von Ducati hat gesagt…

Also ich muss hier mal sagen - auch als Facebook-Aktiver kann man(n) seinen Blog weiterfuehren.....
Other than that - nothing to add ;)
Weiterhin alles gute und vbis hoffentlich bald mal wieder!
VG von der West Coast!
The Jordan’s

Anonym hat gesagt…

Ihr Lieben,
lange nicht mehr hereingeschaut und dann Euer langes Resumee hier gelesen.
Vielen Dank dafür !
Es freut uns zu sehen, dass Ihr den richtigen Schritt gewagt habt.
Weiterhin so viel Freude wünschen Euch die 3 Fast-Norderstedter Manu & die beiden Jungs